Wehrt Euch. Im November und im Dezember landet kaum Schönes im Briefkasten. Rechnungen. Mahnungen. Reklame. Weihnachtspost? Pustekuchen. Apropos Kuchen: Backen ist wärmer als kaufen. Man steht am Herd. Und sonst? Wenn man Glück hat (Gassman ist ja weg), gibts Klebeband im Netto.
7.11.22
Wochenmarktklassiker in Neviges: Keine vorgewaschene Jeans, sondern gelogen wie gedruckt. Strumpfhose, unbequemer Röhrenschnitt, Einheitsgröße 34 bis 72, oder bis sie platzt. Untere Fußgängerzone. Mesut diese Woche: Die Textilhändler nerven mich. Jeden Donnerstag muss ich die liegengelassenen Kleiderbügel vor meinen Laden einsammeln.
Wussten Sie, dass im Mariendom von Gottfried Böhm ursprünglich keine Stühle stehen sollten?, später dann doch, und zwar kreuz und quer aufgestellt. Lags am Geld damals? Ungeklärt. Ungeklärt auch, warum die erste Reihe bei größeren Veranstaltungen, zum Beispiel Heiligabend, oft (eigentlich immer) freibleiben.
6.11.22
Gottfried Böhm * 23. Januar 1920; † 9. Juni 2021
Der Nevigeser Mariendom ist das Werk eines einzigen Mannes. Kein riesiges Architekturbüro, kein CAD – ein Bleistift, ein Rapi, eine Rasierklinge, ein paar skizzenhafte Zeichnungen, ein Modell, ein guter Statiker, der nicht alles kaputt rechnete, und ein blinder, fast blinder Bauherr, der die eingereichten Modelle des Architekturwettbewerbs abtastete und sich für die Skulptur des später weltbekannten Architekten aussprach. Ob das wirklich so war, ist egal, Gottfried Böhm hatte das Vertrauen von Josef Kardinal Frings – und nutzte es. Der prämierte Entwurf war erst der Anfang. Die bis dahin fertigen Zeichnungen waren Anhaltspunkte, die großartigen Details wurden später entwickelt, und vieles wurde mehr oder weniger auf der Baustelle entschieden. Eigentlich sollte der Bau, so die Preisrichter, vereinfacht werden, Böhm machte das Gegenteil. – 1966 begannen die Bauarbeiten unter Protesten der Nevigeser Einwohner. Böhm hatte den Dom nach oben auf den Berg gelegt. Noch näher an der evangelischen Pfarrkirche dran ging nicht. Ein Affront. Die Protestanten tobten, die Einwohner demonstrierten, Böhm baute. So etwas hatte das mehrheitlich evangelische Kaff noch nicht erlebt. Ein Betonberg, ein »Affenfelsen«, ein grobes Gebilde ohne Kirchturm – das sollte eine Kirche sein? Die Menschen waren außer sich. Böhm ahnte vermutlich, dass er in die Geschichte eingehen würde, und übertraf sich selbst. – Jedes Detail kam von ihm: jede Tür, jede Türklinke, jeder Stuhl, jeder Handlauf, jedes Fenster, jedes Holzbrett, jede Treppenstufe, jeder Stein im Mittelschiff und in den Nebenräumen, die Lichteinfälle, die Akustik – nichts scheint willkürlich oder dem Zufall überlassen. »Der Böhm«, sagt Rosita, »war jeden Tag hier, kontrollierte alles, und wenn ihm etwas nicht gefiel – weg damit. Da wurde schon einiges abgerissen.« – 7500 Kubikmeter Beton wurden verbaut, über 500 Tonnen Stahl, und nach zwei Jahren (davon können Bauherren heute nur träumen) war der Berg fertig. Gewaltig: 50 Meter Länge, 27 Meter Breite, 34 Meter Höhe. Aus Beton. Beispiellos: das 2700 Quadratmeter große, vielfach gefaltete (inzwischen undichte) Dach, das auf den bis zweiundzwanzig Meter hohen Außenwänden liegt. – Wer durch die schwere Eisentür des Haupteingangs geht, betritt einen Vorraum mit einer beängstigend niedrigen Decke. An der Wand ein Frühstücksbrettchen (»Bitte leise«) und dann die Offenbarung: Ein Marktplatz mit Straßenlaternen und nicht endenden Wänden, die sich zum Himmel strecken, einem Himmel aus Beton, den man erst wahrnimmt, wenn man sich an die Dunkelheit gewöhnt hat, und dann denkt: »Mein Gott, ist das schön in Neviges.« – Wie kann man sich so etwas ausdenken – und bauen? Wie kommt man auf diese gut erdachten Stühle mit Kniebänkchen statt der üblichen Kirchenbänke? Auf den schlichten Altarblock? Auf die in den Wänden eingelassenen Lautsprecher und Handläufe? Auf die vielen Formen, die sich irgendwie zusammenfügen? Wie kriegt man die vielen Verwinklungen, die Verschiedenheit der Fenster, die zerklüftete, dreigeschossige Empore, die höhlenartige Intimität der Marienkapelle, die fröhliche Sakramentskapelle mit dem Rosenfenster unter ein Dach? Wie schafft man einen Dom, der kein Abklatsch der bekannten, großartigen Kirchenbauwerke ist, sondern besser? – Viele Jahre später: Der Dom ist undicht. Im Altarraum eine Blumenpottorgie, auf der Fassade eine aufgepinselte Rose, daneben ein verrostetes Ungetüm für Kerzen – und seit Jahren ein peinliches Gerangel ums Geld. Die Sanierung des Daches, kein großes Ding für ein weltberühmtes, einzigartiges Bauwerk, kostet ein paar Millionen, aber was ist das schon? »Die in Köln«, sagt jemand, »sollten sich was schämen, uns mit dem Dachschaden alleine zu lassen. Milliarden auf dem Konto und keinen Deut besser als die Bettler im Velberter Rathaus, die auch nur jeden Topf anpumpen können, weil sie sonst nix auf die Kette kriegen.« – Im Film Die Böhms war der Dom ungewöhnlich aufgeräumt. Der Meister, so munkelt man, war da, hat alles wegschaffen lassen, was sich angesammelt hatte. Die Blumenpötte, die Vasen, jedes schief liegende Gebetbuch, jeden Kerzenständer und jeden Pilger, der nicht ins Bild passte. Und die wenigen Nevigeser, die den Film gesehen haben, wunderten sich. »Geht doch!« – Gottfried Böhm, der große, inzwischen sechsundneunzig Jahre alte Mann, kam regelmäßig mit seinem Jaguar vorgefahren und guckte sich jede Veränderung an seinem Dom an, verhinderte aber weder die Rose auf der Fassade noch die »Kerzenkapelle« seines Sohnes Markus, der sich etwas austoben durfte, allerdings keine glückliche Hand hatte. Auch die Frühstücksbrettchen mit dem albernen Piktogramm ließ er durchgehen. Altersmilde? Oder keine Lust mehr, sich über jeden Blödsinn aufzuregen?
(Norbert Molitor: Im Kaff der guten Hoffnung. Piper Verlag)
Foto oben: wikipedia.org (bearbeitet)
5.11.22
Nicht traurig sein, Frierhippen. Ist zwar kälter geworden (heute rund 11 Grad in der Fuzo und 16 Grad im Schlafzimmer), aber wie immer gibt es eine Lösung. (Dieses Foto, vermutlich ein Kunstwerk, wurde von einem Leser aus Tönisheide geschickt. Frage: Wer hat sachdienliche Hinweise zum Handarbeiter?) Foto bearbeitet
Erinnern Sie sich? Erschossen, gerupft, gestopft, gebraten, mit Rotkohl gegessen oder in gute Hände geflogen. Egal. Tatsache ist, die Gänse vom Schlossteich in Neviges waren plötzlich weg. Der Fall ist nie aufgeklärt worden, obwohl man über einen Feinschmecker munkelte. Herr Wulfhorst sprach damals von einer Sauerei.
Martinszüge in Neviges
Montag
Kita Unterm Regenbogen, Schubertstraße 23 – 17 Uhr 30
Kita St. Antonius, Antoniusstraße 9 – 17 Uhr
Mittwoch
Kita Mariä Empfängnis, Klosterstraße 6 – 17 Uhr
Donnerstag
Bürgerverein Tönisheide – 17 Uhr
Kita Das Himmelreich, Siebeneicker Straße 6 – 16 Uhr 30
KAB-OV Maria Empfängnis, Rommelssiepen 11 – 17 Uhr 30
Freitag:
Regenbogenschule, Wielandstraße 8 – 17 Uhr 15
4.11.22
Neu im Wohnzimmer am Kloster: Brizza Elsässer Art. Etwas anderers als Pizza, etwas anders als Flammkuchen: Zum Reinbeißen. Bianca und Jaso planen weitere Varianten. Zum Beispiel mit Rahm-Kraut und grober Bio Bratwurst. Und sonst? Musik. Morgen. Giulio Felis kommt: Pop, Soul, Funk (Gutelaunemusik). Reservierung: 02053 9209929 und wohnzimmer-neviges@web.de. Foto (bearbeitet): Wohnzimmer
Nur Stemberg kocht besser. Und Paciello. Und Akropolis. Und Asiawook. Und Café der Paris. Und Ali. Und Alter Bahnhof. Und Borabora. Und Zum Parkhaus. Und Saß. Und Lefti. Und Wohnzimmer. Und Pizzashop. Und Graf Hardenberg. Und Casa Lo Monaco. Und Restauracje Polska. Und Berger Stübchen da Monticciolo. Und Haus Sondermann. Reicht das? Nein, die Stadt will unbedingt und mit allen Mitteln ein weiteres Restaurant in der Alten Mühle am Schloss unterbringen. Gute Idee? Geht so.
Freitags kommt Fisch auf den Tisch. Alte Tradition im katholischen Pilgerort. Pizza geht auch, aber Fisch schmeckt ein wenig nach Kindheit. Auch Mittagstisch Saß hat Fisch. Wer kochen kann und Zeit hat: Netto hat auch frischen Fisch. Direkt neben dem Frischfleisch. Empfehlung, das gilt für alles bei Netto: aufs Mindesthaltbarkeitsdatum achten. – Foodpoint am Busbahnhof.
3.11.22
Einmal im Leben ein Whisky oder zwei oder 12 mit einem Mülleimer-Texter trinken. So richtig #zuschütten (siehe Fußnote). Vielleicht sprudeln dann noch mehr originelle Buchstaben raus, die auch Kinder verstehen, die noch nie eine Kneipe von innen gesehen haben. – Historisches Viertel.
Und sonst heute? Erst gehts zum Wochenmarkt, dann zur Vera (Steuern zahlen), dann zum Rüger (fragen, wann das Gestaltungshandbuch rauskommt) und dann zum kunterbunten Pippilangstrumpfbahnhof mit Schwarzweißfilm.
Wenn ich groß bin, schreibt gestern fehlerfrei ein Achtjähriger per WhatsApp, werde ich Stadtrat in Velbert, wie meine Tante; der Bundestag ist nix, da müsste ich mich für 112 771 Wähler abrackern. Verblüffende Zahlen von dem Köttel:
736 Abgeordnete für rund 83 Millionen Einwohner,
70 Stadtratmitglieder für rund 83 Tausend Einwohner
in Velbert. Aus dem Jung wird was. Der kann sogar PowerPoint und den Tisch decken.
Milcheis soll ja wintertags wärmer schmecken als Fruchteis, ist aber wissenschaftlich unbewiesen wie Augendruckmessung beim Augenarzt für 20 Euro. Am leckersten (nix geht über die eigene Wahrnehmung, wenn man scheckheftgepflegte Zähne hat): beide Sorten probieren, hier vor der Passage oder oben hinter der Ampel. Spaghettieis hat übrigens ein Deutscher erfunden, wie die Autos. Foto (bearbeitet): Hani
Das könnte Sie auch interessieren: Die Italienerin vom Kirchplatz häkelt Warmes (hier Beiges mit etwas Puder von Lancôme oder Jil Sander) nach italienischen Häkelvideos. Und bei Netto gibts „Original italienisches Blätterteiggebäck“, wie früher die Schweineöhrchen, nur etwas kleiner und leckerer. Außerdem: Das 9 Euro-Ticket wird teurer. Kostet bald 49 Euro. Egal (ist eh alles teuer): Hauptsache mal raus aus Neviges.
2.11.22
Nasowas: Neue Software für das Servicebüro in Neviges. Und? Geschlossen. A deswegen, B weil die Mitarbeiter geschult werden müssen. Jetzt Montag, 7. November bis Donnerstag, 10. November. Weiterhin auf, immer auf (rund um die Uhr) sind die Büchertelefonzellen am Backtreff. Die Auswahl ist klein, aber umsonst. Wer was reinlegt, kann was nehmen. Wer nur was reinlegt, ist auch willkommen. Vorsicht, die Türen knallen automatisch zu: Rücken freihalten.
7 Euro Eintritt nimmt der Mariendom, wenn am 27. November (1. Advent) der Rhythmus-Chor und der Rhythmus-Parenten-Chor musizieren. Das ist angemessen, sollte aber nicht Schule machen, der Dom ist keine Veranstaltungshalle sondern ein Ort der Ruhe und Gespräche mit Gott, die bekanntlich umsonst sind. „Sieben Euro“, meinte gestern eine Rentnerin, „die sollen froh sein, wenn die Bude mal voll ist“ und fragte nach Rabatt für Rentner und Nichtmehr-Kirchenmitglieder (sind ja inzwischen soooo viele). Karten gibts im Weinladen und in den bekannten Verkaufsstellen.
Edit. Arno Schmidt: "Mein Vater war zweimal in seinem Leben in der Kirche: als er getauft wurde, und 1926 beim Platzregen."
Ungefragt geheime Daten von Leuten an Adressbuchverlage, Bundeswehr, Parteien, Presse, Religionsgemeinschaften und an die GEZ weitergeben. Darf man das? Sie nicht, wir nicht, aber die Stadt Velbert. Gibts dann eine Nachricht („wir waren so frei und haben ihre ladungsfähige Adresse vertickt …)? Nö. Wer das nicht mitmachen will, und wer will das schon?, muss widersprechen: Hier gehts zum Widerspruchsformular der Obrigkeit. Gibts danach eine Widerspruchseingangsbestätigung? Achgottchen. Übrigens: Was die Fürsten geigen, müssen die Untertanen tanzen.
1.11.22
Traut Euch ja nicht. Das ist allerfeinste Echtholzweihnachtsdeko und kein Brennholz. Верстанден? Wenn Ihr Wärme sucht, macht Euch ein Spiegelei und kurz einen Waschlappen in der Pfanne heiß, das geht schneller als im Waschbecken und spart Energie. Aber nur wenn keiner dabei ist und die Nachbarschaft nicht die Fünfte Etage informieren kann. Sonst: Riesentheater.
Nicht wegwerfen und liegenlassen. Wird teuer. Übgrigens: Wer eine Schachtel Zigaretten für 7 Euro kauft, zahlt insgesamt 3 Euro 56 Tabaksteuer und 1 Euro 12 Mehrwertsteuer, also 4,68 Euro insgesamt. Für soviel Geld könnten Mitarbeiter der Stadt zumindest einigen Kettenrauchern einen Aschenbecher hinterhertragen. – Bahnhofsviertel.
Die Telekom will am 21. November die Münzzahlung an allen Telefonzellen bundesweit deaktivieren. Gilt auch für die Säulen, vor denen man immer schön nass wird, wenn man nach Kleingeld sucht. Und jetzt? Handy kaufen. Karte freischalten lassen. Jeden Tag aufladen. Alle 2 Wochen die Software aktualisieren, nur weil man einmal im Monat die Enkel oder den Hausarzt anrufen will, der eh nie abhebt. – Fußgängerzone vor 5 Jahren.
Nie ein Blatt vor den Mund nimmt seit Jahren Wim Martin aus Velbert, der seinen neuen Roman in Neviges und Nizza spielen lässt. Schon mal neben einem Schwert-Wal im Panoramabad ein paar Runden gekrault? Kurzum: Hier liegt ein Thriller des studierten Schriftstellers (Literaturwissenschaft und Philosophie) vor, der (eine Leserin) "das Blut in den Adern gefrieren lässt". Wim Martin war viele Jahre ein international erfolgreiches Fotomodell. Hummelshain Verlag, 266 Seiten, 14 Euro 80.
31.10.22
Kann mal jemand (bitte!) die Stinkkarren hinter dem Banner mit Photoshop wegratzefummeln? Die passen doch weder zur gebrochenen Schrift noch zum Thema. Noch was zu meckern? Nein zu loben: Der Mittelalterliche Weihnachtsmarkt ist immer schön: Getränke und Geschenke für alle, auch für Leute, die nicht mal Prinzeisenherz gelesen haben.
Neu in Neviges: Nicht der Boraboraladen, sondern der Betreiber. Irgendwelche Änderungen? Nicht ersichtlich. Noch nicht. Die Schaufensterbeklebedetektive der Stadt könnten aufkreuzen, und die teure Reklame muss weg. Bora Bora ist für Normalverdiener, googeln Sie mal, eigentlich unerreichbar. Für eine Woche Luxusaufenthalt kriegt man hier im Bahnhofsviertel rund 714 belegte Pizzen.
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