Das Schönste in Neviges ist die Liebe.
Das Zweiterschönste ist Katis Klamottenladen.
Und das Allerschönste ist Katis 10-jähriges Jubiläum, das Freitag ab 10 Uhr gefeiert wird. Erinnert ihr euch noch, wie und wo alles begann? Ein Rückblick:
T-Shirts, die aussehen wie Kopfkissenbezüge mit kurzen Ärmeln, Pullover, breiter als ausgewachsene Schafe, Kleider und Blusen, mit denen man einen Kleinwagen verhüllen könnte. Im Fachgeschäft für gut ernährte Frauen, sind die Klamotten ein bisschen größer, die Kundinnen etwas pummeliger, und die Preise, ein Wunder bei dem Rohstoffeinsatz, nicht einmal höher.
Die Dicken, bisher in Sack und Asche gekleidet, sollen endlich die
Fußgängerzone erobern, selbstbewusst im Café und beim Kardiologen sitzen, sich nicht mehr verstecken müssen, und schon gar nicht auf das Internet mit den ewigen Umtauschorgien angewiesen sein. Sie sollen essen, was reinpasst, und die
passenden Klamotten bei Kati („dein Leben, deine Mode, dein Style – bis Größe 66“) anprobieren – und kaufen. Vier hübsch dekorierte Schaufenster, breiter Eingang, geräumige Umkleidekabine (128 x 162 cm) mit rosa Badematte und extrabreitem Spiegel, stabiles Sofa, gedämpftes Licht, warenkundige, emphatische Beratung durch die Chefin.
Kati, sie schreibt sich Kati´s, hatte früher einen Laden im Autohaus. Der war gerade mal zwölf Quadratmeter groß. „Das war“, sagt sie, „für meine Branche nix“. Jetzt hat sie endlich Platz, und die Lage in der Fußgängerzone könnte nicht besser sein: Hundefutterladen gegenüber, Pizzeria direkt nebenan. Und ein Parkplatz (in Neviges nimmt man das nicht so genau mit der StVO) für SUFs und andere fette Karren – direkt vor der Tür.
Das Ladenlokal stand lange Zeit leer. Bei der Eröffnung keine aufgeblasenen Luftballons, wie sonst üblich, ein paar Stehtische mit weißen Hussen, ein „Sektchen“ etwas zu Knabbern, und dann die Führung durch den Laden: Kein Rentnerbeige sondern „anschmiegsame, fliessende“ Stoffe in kräftigen, „aktuellen“ Farben.
„Ab Größe 42“, sagt die Chefin, „sollten die Sachen nicht mehr so eng am Körper getragen werden. Sie sollen schmeicheln – und Lust machen“. „Gibts was Passendes für drunter oder drüber?“, fragt eine Kundin, die eine durchsichtige, schwarze Tüll-Leggings in der Hand hat. „Kommt drauf an, was Sie vorhaben!“ Wer
sich die Leggings in Ruhe ansehen will, kann sich vors Schaufenster setzen. Und Pizza essen.
Norbert Molitor: Im Kaff der guten Hoffnung, 2016
Inzwischen hat sich einiges geändert:
Katis Mode ist jünger geworden – ab Größe 34. Es gibt allerlei Accessoires und einen neuen Standort schräg gegenüber. Nur eines ist geblieben, und zwar für alle Zeiten:
Katis berühmtes „Sektchen”