24.1.20

Gibts Neuigkeiten in Neviges? Ja. Am Kirchplatz macht ein neuer Dienstleistungsladen auf. Der ehemalige Schmuckladen (Foto) wird gerade renoviert. Auch im alten Laden von Uhrmachermeister Ballauf tut sich vermutlich was. Der Laden wird gerade kernsaniert. Und für den Tattoo-Laden gibts keinen Tattoo-Nachfolger. Kurzer Hinweis noch: Die katholische Kirchengemeinde sucht einen Küster (m/w/d). Teilzeit mit 19,5 Stunden in der Woche. Zunächst für ein Jahr, mit Perspektive auf unbefristete Beschäftigung.

23.1.20

Jasmina gibt trotz Krankheit nicht auf. Die taffe Frisörin macht weiter. Noch vor wenigen Tagen wollte sie ihren Salon in Neviges verkaufen. Ihren Brief an den Blogger in ihrem Schaufenster haben heute viele Leute gelesen, die sich Sorgen gemacht hatten. Was soll man sagen? Großartig!

Der Nevigeser Mariendom ist das Werk eines einzigen Mannes. Kein riesiges Architekturbüro, kein CAD – ein Bleistift, ein Rapi, eine Rasierklinge, ein paar skizzenhafte Zeichnungen, ein Modell, ein guter Statiker, der nicht alles kaputt rechnete, und ein blinder, fast blinder Bauherr, der die eingereichten Modelle des Architekturwettbewerbs abtastete und sich für die Skulptur des später weltbekannten Architekten aussprach. Ob das wirklich so war, ist egal, Gottfried Böhm hatte das Vertrauen von Josef Kardinal Frings – und nutzte es. Der prämierte Entwurf war erst der Anfang. Die bis dahin fertigen Zeichnungen waren Anhaltspunkte, die großartigen Details wurden später entwickelt, und vieles wurde mehr oder weniger auf der Baustelle entschieden. Eigentlich sollte der Bau, so die Preisrichter, vereinfacht werden, Böhm machte das Gegenteil. – 1966 begannen die Bauarbeiten unter Protesten der Nevigeser Einwohner. Böhm hatte den Dom nach oben auf den Berg gelegt. Noch näher an der evangelischen Pfarrkirche dran ging nicht. Ein Affront. Die Protestanten tobten, die Einwohner demonstrierten, Böhm baute. So etwas hatte das mehrheitlich evangelische Kaff noch nicht erlebt. Ein Betonberg, ein »Affenfelsen«, ein grobes Gebilde ohne Kirchturm – das sollte eine Kirche sein? Die Menschen waren außer sich. Böhm ahnte vermutlich, dass er in die Geschichte eingehen würde, und übertraf sich selbst. – Jedes Detail kam von ihm: jede Tür, jede Türklinke, jeder Stuhl, jeder Handlauf, jedes Fenster, jedes Holzbrett, jede Treppenstufe, jeder Stein im Mittelschiff und in den Nebenräumen, die Lichteinfälle, die Akustik – nichts scheint willkürlich oder dem Zufall überlassen. »Der Böhm«, sagt Rosita, »war jeden Tag hier, kontrollierte alles, und wenn ihm etwas nicht gefiel – weg damit. Da wurde schon einiges abgerissen.« – 7500 Kubikmeter Beton wurden verbaut, über 500 Tonnen Stahl, und nach zwei Jahren (davon können Bauherren heute nur träumen) war der Berg fertig. Gewaltig: 50 Meter Länge, 27 Meter Breite, 34 Meter Höhe. Aus Beton. Beispiellos: das 2700 Quadratmeter große, vielfach gefaltete (inzwischen undichte) Dach, das auf den bis zweiundzwanzig Meter hohen Außenwänden liegt. – Wer durch die schwere Eisentür des Haupteingangs geht, betritt einen Vorraum mit einer beängstigend niedrigen Decke. An der Wand ein Frühstücksbrettchen (»Bitte leise«) und dann die Offenbarung: Ein Marktplatz mit Straßenlaternen und nicht endenden Wänden, die sich zum Himmel strecken, einem Himmel aus Beton, den man erst wahrnimmt, wenn man sich an die Dunkelheit gewöhnt hat, und dann denkt: »Mein Gott, ist das schön in Neviges.« – Wie kann man sich so etwas ausdenken – und bauen? Wie kommt man auf diese gut erdachten Stühle mit Kniebänkchen statt der üblichen Kirchenbänke? Auf den schlichten Altarblock? Auf die in den Wänden eingelassenen Lautsprecher und Handläufe? Auf die vielen Formen, die sich irgendwie zusammenfügen? Wie kriegt man die vielen Verwinklungen, die Verschiedenheit der Fenster, die zerklüftete, dreigeschossige Empore, die höhlenartige Intimität der Marienkapelle, die fröhliche Sakramentskapelle mit dem Rosenfenster unter ein Dach? Wie schafft man einen Dom, der kein Abklatsch der bekannten, großartigen Kirchenbauwerke ist, sondern besser? –Viele Jahre später: Der Dom ist undicht. Im Altarraum eine Blumenpottorgie, auf der Fassade eine aufgepinselte Rose, daneben ein verrostetes Ungetüm für Kerzen – und seit Jahren ein peinliches Gerangel ums Geld. Die Sanierung des Daches, kein großes Ding für ein weltberühmtes, einzigartiges Bauwerk, kostet ein paar Millionen, aber was ist das schon? »Die in Köln«, sagt jemand, »sollten sich was schämen, uns mit dem Dachschaden alleine zu lassen. Milliarden auf dem Konto und keinen Deut besser als die Bettler im Velberter Rathaus, die auch nur jeden Topf anpumpen können, weil sie sonst nix auf die Kette kriegen.« – Im Film Die Böhms war der Dom ungewöhnlich aufgeräumt. Der Meister, so munkelt man, war da, hat alles wegschaffen lassen, was sich angesammelt hatte. Die Blumenpötte, die Vasen, jedes schief liegende Gebetbuch, jeden Kerzenständer und jeden Pilger, der nicht ins Bild passte. Und die wenigen Nevigeser, die den Film gesehen haben, wunderten sich. »Geht doch!« – Gottfried Böhm, der große, inzwischen sechsundneunzig Jahre alte Mann, kam regelmäßig mit seinem Jaguar vorgefahren und guckte sich jede Veränderung an seinem Dom an, verhinderte aber weder die Rose auf der Fassade noch die »Kerzenkapelle« seines Sohnes Markus, der sich etwas austoben durfte, allerdings keine glückliche Hand hatte. Auch die Frühstücksbrettchen mit dem albernen Piktogramm ließ er durchgehen. Altersmilde? Oder keine Lust mehr, sich über jeden Blödsinn aufzuregen?
(Norbert Molitor: Im Kaff der guten Hoffnung. Piper Verlag)
Foto oben: wikipedia.org (bearbeitet)



Gottfried Böhm ist heute 100 Jahre alt geworden. Zuletzt war er 2019 in Neviges und hat die Sanierungsabeiten an seinem weltweit diskutierten Betongebäude mit kritischem Blick begutachtet. Sein Gotteshaus zählt zu den bedeutendsten Schöpfungen der Architekturgeschichte. 1986 erhielt er den renommierten Pritzker-Architektur-Preis. 1985 erdachte er die gläserne Kuppel über dem Berliner Reichstag. Die Idee wurde später von Norman Foster aufgenommen und umgesetzt. Mehr zum Geburtstag und zum Mariendom finden Sie hier.
Gibts was Neues in Neviges? Ja, bei Göki brennt Licht, sie macht gleich ihr Café auf. Illona ist schon seit einer Stunde in ihrem Kiosk. Die S-Bahn meldet Teilausfälle wegen Nebel und Teilausfälle aufgrund von Verspätungen vorheriger Züge. Es gibt endlich wieder mehr Klamottenstände auf dem Wochenmarkt.
Die WZ will ihre Redaktion in Düsseldorf verkleinern. Der Lokalteil soll zugekauft werden (vermutlich bei der Rheinischen Post). In Neviges, Kreis Mettmann, soll es weitergehen, wie bisher. Da es offensichtlich um Geld geht, könnte der Verlag irgendwann eine Bezahlschranke für das Internetangebot einführen. Die Printausgabe, hier ein älteres Exemplar, wird in Neviges Mitte nur noch in der Tanke, im Lottoladen und im Kiosk von Illona verkauft.
Am Donnerstag ist ab sofort jede Woche Sprechstunde bei Herrn Tonscheidt. Behandelt werden Fragen zu Krankheiten im Velberter Rathaus und zu Visionen von Politikern in Neviges (der Stadtteil wird von der Obrigkeit bekanntlich etwas mau betreut. Also: ein guter Anfang. Kurz vor der Kommunalwahl im September kommen übrigens alle anderen Parteien. – Wilhelmstraße, 8 bis 12 Uhr.
Foto (bearbeitet): Velbert Anders

22.1.20

Göki macht morgen ihr Café am Brunnen auf. Garantiert. Die Gastronomin, hier in ihrem leergeräumten Ex-Eiscafé in der Nevigeser Passage, hat sich etwas Zeit genommen, damit alles von Anfang an schön ist. – Übrigens: Neueröffnungen sind in Neviges immer donnerstags, weil donnerstags Wochenmarkt ist und viele Leute kommen. – Nähe Sprudelplatte.
Es gibt kaum noch Handwerker in Neviges. Wer einen Maler für den Anstrich seiner Wohnung sucht, muss endlos warten, und wenn er dann irgendwann zusagt, kommt er nicht. Wer einen Schreiner mit einem kleinen Job beauftragen will, hat so gut wie keine Chance. Was hilft, sind Grundkenntnisse in Polnisch und die vielen Tutorials auf Youtube. Was gut funktioniert und sehr löblich ist (in Neviges halten alle zusammen), ist die weitverbreitete Nachbarschaftshilfe, besser bekannt als Schwarzarbeit.
Wer nicht wirbt, stirbt. Ali Karabayir vom Food-Point im Nevigeser Bahnhofsviertel hat eine Facebookseite, die fast täglich aktualisier wird und schön anzusehen ist. Günstige Tagesgerichte, freies Internet, sehr gute Pommes nach holländischer Art, und tolle Ideen, klicken Sie mal hier, hat er auch. – Apropos günstige Tagesgerichte: Heute gibts Kasseler mit Sauerkraut und Kartoffelpüree beim Knapp. Gestern gabs Matjes mit Bratkartoffeln, die man zuhause nicht besser hinkriegt.
In 4 Wochen ist Frühlingsanfang und Frühlingserwachen vor Schloss Hardenberg in 42553 Neviges. Der beliebte Kunst- und Grünzeugmarkt zeigt Objekte von Handwerkern, frühlingshafte Floristik, Schmuck und Mode. Eintritt: nix, Parken: günstig, Anreise mit der S-Bahn: nicht empfehlenswert (die Veranstaltung dauert nur 2 Tage, da kann man unter Umständen alles verpassen). 21 und 22. März, 11 bis 18 Uhr.
Urban Gardening (eine Idee aus hippen Metropolen) steckt in Neviges noch in den Anfängen, aber es gibt bereits große Fortschritte. Ein paar Bretter vom Baumarkt, ein Loch und ein integrierter Topf, machen aus vernachlässigten Betonkübeln (Foto unten) wahre Kunstwerke, auf denen man ganz nah neben der Natur zu zweit sitzen kann. Der Prototyp steht Im Orth am alten Uhrmacherladen.

21.1.20

Das Fachgeschäft für Seniorenmobilität in Neviges zieht um und sucht einen Nachmieter. Wo es hingeht, ist nicht bekannt. Die Lage am Eiscafé war gut. Besonders donnerstags, wenn Wochenmarkt ist. Noch besser ist die Zielgruppe in Neviges nicht anzutreffen. Tschüs – !
Gottfried Böhm wird übermorgen 100 Jahre alt. Das Deutsche Architekturmuseum in Frankfurt feiert den großen Baumeister mit einer umfangreichen Ausstellung. Es geht um sein wichtigstes Werk, die weltbekannte Wallfahrtskirche Maria, Königin des Friedens in 42553 Neviges.
Gesten führ ein Porschefahrer durch die Nevigeser Fußgängerzone gefolgt von einem Kleinwagenfahrer. Der Porschefahrer antwortete auf den Hinweis, dass die Fußgängerzone eine Fußgängerzone und keine Autobahn ist: Weiß ich, wir wollen eure Fuzo nur etwas beleben. Fahren nur schnell mal rüber zur Stella. Kaffee trinken.
Neuerdings, das ist eine wirklich gute Nachricht für alle Nevigeser, kann die Sperrmüllabfuhr online und kostenlos unter www.tbv-velbert.de angemeldet werden. Bisher war das Prozedere ziemlich umständlich und aufwendig. – Und sonst? Der Fischstand aus Holland soll Donnerstag wieder da sein. Was noch? Netto hat Spannbetttücher mit Rundumgummizug für 3 Euro 99 im Angebot. Und Krombacher. Kasten 10 Euro, zuzüglich Pfand. Günstig.
Wenn der Gassmannladen noch da wäre, sagte gestern eine Einzehandelsfachverkäuferin aus Rosenhügel, ging es uns allen in Neviges besser. Wenn die Herrschaften aus Velbert sich nicht bald ernsthaft um Schloss Hardenberg kümmern, sagte vorgestern eine Steuerfachangestellte, können wir den Laden dichtmachen. Oder glauben die ernsthaft, dass die Auswärtigen wegen der paar Geschäfte nach Neviges kommen? Wenn Abellio so weitermacht, sagte neulich ein ziemlich angepisster Computerfachmann, fährt uns der Saftladen zurück in die mobile Steinzeit. Seit Dezember ist meine Monatskarte nicht das Papier wert, auf das sie gedruckt wird. Wenn der Einzelhandel in Neviges nicht bald einheitliche Öffnungszeiten hat, sagte Sonntag eine Alleinerziehende beim Tassos, kauf ich nur noch bei Amazon. Kriegt die Werbegemeinschaft nicht mal das auf die Kette? Wenn der Stemberg und Janutta nicht da wären, sagte Freitag ein Mächtigkeitsspringreiter in der Eisdiele, wäre ich längst für immer weg. Über alle Berge. Wenn das Kloster nicht bald Nachfolger kriegt, sagte Sonntag ein Expolitiker, ich meine nicht betreute Bewohner, da wird genug für gebaut, sehe ich dunkle Wolken über unsere schöne Ortschaft ziehen. Wenn ein Pils drei bis acht Minuten dauert, und ich noch mal fünf Minuten warten muss, bis es da ist, sagte im Sommer ein Eigenheimbesitzer, trink ich nur Flaschenbier im Garten. Köpi, nur Köpi, alles andere kann man vergessen. Wenn ich für jeden Scheiß einen Zettel audrucken muss, sagte im Dezember ein Einzelhändler, muss ich meinen SUV verkaufen. Wenn es keine Leute mehr gibt, die arbeiten wollen, sagte Mittwoch ein Handwerksmeister, dann gnade uns Gott, dann gnade uns Gott. Was die Fürsten geigen, sagte gestern die Italienerin, müssen die Untertanen tanzen. Göki, liebe Leserinnen und Leser, steht übrigens kurz vor der Eröffnung.

20.1.20

Übrigens: Gökis neues Café am Brunnen ist noch nicht auf. Sobald es los geht, wird hier auf dem Blog darüber berichtet. Scheint etwas dazwischengekommen zu sein. – Auch schon aufgefallen? Montag ist der neue Ruhetag in Neviges. Leergefegt.
Die Autos werden immer größer, die Spielplätze dürfen gern etwas kleiner sein. Diese rund vier Quadratmeter große Anlage in der Nevigeser Fußgängerzone ist besonders gelungen, weil man sich als Erziehungsberechtigter daneben auf eine Bank setzen und zugucken kann, wenn die Kleinen sich links- oder rechtsrum im Kreis drehen, und sich nicht irgendwo verstecken können. Der Wartungsaufwand der Anlage ist beispielhaft gering. Wenns mal quietscht, reicht ein Tropfen Öl aus der Fritteuse vom Imbiss nebenan.
Morgen ist Internationaler Jogginghosentag. Wer keine hat, darf auch im Schlafanzug raus, nur salopp und bequem sollte es sein. Herr Hügel aus Neviges zeigt, wie toll man Bequemlichkeit (untenrum) und weltmännische Eleganz kombinieren beziehungsweise combinen kann, wenn man Jil Sander zu Wort kommen lässt. Etwas kalt für die Jahreszeit (das Foto wurde irgendwann mal im Sommer gemacht), aber sonst: klasse.
Übrigens: Karl Lagerfeld, der im Fernsehen mal dem immer gut gekleideten Markus Lanz erzählte, dass Leute, die eine Jogginghose tragen, die Kontrolle über ihr Leben verloren haben, hatte sie nicht mehr alle. Wenn das stimmen würde, liebe Leserinnen und Leser, wäre jeder zweite Nevigeser ganz übel dran.
Es gibt sie noch! – Junge Männer in Neviges, die nicht irgendwas mit Medien oder Internet oder Digitaler Transformation als Freelancer machen, sondern einen Beruf erlernen, mit dem sie später mal eine eigene Waschmaschine kaufen können, weil sie am Monatsende ein ordentliches Gehalt auf dem Konto haben. Junger Mann (irgendwas mit Farbe) vor dem Backtreff.